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AnwaltsVerband Baden-Württemberg
im Deutschen AnwaltVerein e.V.
Darstellung der drei Löwen des Baden-Württembergischen Wappens

Parlamentarischer Abend 2016

Am 9. November 2016 richtete der Anwaltsverband Baden-Württemberg seinen 8. Parlamentarischen Abend in Stuttgart aus. Es war der erste seiner Art nach den Landtagswahlen im März 2016. Der Anwaltsverband konnte mit mehr als 70 Teilnehmern eine Gästerekord verzeichnen. Der Zuwachs stammte sowohl aus den Reihen der Landtagsabgeordneten aller Fraktionen als auch aus den Organisationen der Anwaltschaft (Anwaltsvereine, Forum Junge Anwaltschaft, Rechtsanwaltskammern und Versorgungswerk) sowie den Vertretungen anderer justiznaher, rechtspolitischer oder freier Berufe, wie der der Notare, Richter, Staatsanwälte, Gerichtsvollzieher oder Amtsanwälte.

Präsident RA Prof. Peter Kothe bei seinen Begrüßungsworten
Ministerialdirigent Elmar Steinbacher bei seinem Grußwort
der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, RA Jürgen Filius MdL, bei seinem Statement
Dr. Bernhard Lasotta MdL, CDU-Landtagsfraktion, bei seiner Erwiderung
Rüdiger Klos MdL, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der AfD-Landtagsfraktion bei seinem Grußwort
RA Sascha Binder MdL, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD-Landtagsfraktion bei seinem Statement
RA Nico Weinmann MdL, rechtspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion bei seiner Stellungnahme
v.l.n.r.: Dr. Bernhard Lasotta MdL, RA Walter Pilz (Vorstandsvorsitzender des Versorgungswerks der Rechtsanwälte BW), RA Detlev Heyder (AVBW-Vizepräsident), RA Prof. Dr. Peter Kothe, RA Jürgen Filius MdL, Prof. Dr. Wolfgang Reinhart MdL, RA Arnulf von Eyb MdL
Andreas Stoch MdL, RAuN Christoph Käppeler (AV Heidenheim), RA Eckhard Flämig (AV Aalen), RAin Lucia Wohlfardt (Heidenheim)
RA Rainer Stumm und RA Dr. Dirk Bischoff (AV Offenburg) mit RAin Bettina Bauer (AVBW Schatzmeisterin)
RA Dr. Frank J. Hospach (2. Vizepräsident RAK Stuttgart), RA Dr. Björn Demuth (Präsident LfB BW), RA Ekkehart Schäfer (Präsident BRAK)
RA Michael Stiefvater (AV Baden-Baden), Notar Peter Wandel (Präsident Notarkammer BW)
RA Arnulf von Eyb MdL, Marion Gentges MdL, Dr. Bernd Lasotta MdL
RA Dr. Frank J. Hospach (2. Vizepräsident RAK Stuttgart), RAin Stefanie Assmann (stv. Vorsitzende des LfA der FDP, RAin Patricia Wendt (AV Ravensburg), Peter Krämer
RA Frank Röthemeyer (AVBW Vorstand), Regierungsdirektorin Sibylle von Schneider (Leiterin JVA Schwäbisch Gmünd), RAin Irene Meixner (Vorsitzende AV Schwäbisch-Gmünd), RA Wolfgang Gschwinder (stv. Vorsitzender AV Schwäbisch Gmünd)
RA Walter Pilz (Vorstandsvorsitzender Versorgungswerk der Rechtsanwälte BW), RA Detlev Heyder (AVBW Vizepräsident), Prof. Dr. Wolfgang Reinhart MdL (Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion), RA Arnulf von Eyb MdL
RA Jan Besserer (AV Stuttgart), RAin Dorela Pilihaci (Forum Junge Anwaltschaft)
RA David Arnswald (Forum Junge Anwaltschaft Heidelberg), Rüdiger Majewski (Vorsitzender Deutscher Gerichtsvollzieherbund BW)
RA Sascha Binder MdL, RA Tobias Rentschler, RAin Klaudia Großmann (DAV ARGE Anwältinnen), RA Michael Rajkowski (Vorsitzender ASJ BW)

RAin Ingrid Hönlinger (Vorsitzende Recht Grün e. V.)
RAuN Dr. Thilo Wagner (DAV-Vorstand, RA Dr. Guido Toussaint (Verein der RAe beim BGH), RA Dr. Jörg Meister (AVBW Vorstand), RA Ekkehart Schäfer (Präsident BRAK)

Jürgen Filius MdL, rechtspolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, sagte, die Regierungskoalition wolle eine unabhängige und leistungsfähige Justiz. Die bisherigen Gerichtsstandorte sollen erhalten bleiben. Andrerseits prüge man Konzentrierungen, z. B. wenn in einer Stadt zwei bis drei Gerichtsstandorte betrieben würden, ob man diese nicht in einem Gebäude zusammenlegen kann, um Synergieeffekte zu erzielen. Die Flächen-Landgerichte sollen auf jeden Fall verbleiben.Das Kabinett habe bereits 67 neue Stellen im Strafvollzug, 74 Stellen bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften sowie 21 Wachtmeisterstellen beschlossen. Die Justiz in BW sei vergleichsweise schnell und arbeite effizient. Abschließend dankte er dem Anwaltsverband für seine Stellungnahmen zu den jeweiligen Gesetzesvorhaben.

Dr. Bernd Lasotta MdL, rechtspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion verwies ebenfalls auf die bereits beschlossene Personalerhöhung in der Justiz sowie das Ziel, die ermittelten Werte aus dem Personalbedarfsberechnungssystem der Justiz (Pebbsy) zu erreichen. Im Laufe der Zeit seien ein höherer Ausländeranteil, eine höhere Gewaltbereitschaft und mehr psychische Probleme zu verzeichnen, was eine Stärkung der Justiz erfordere. Auch Dr. Lasotta sprach sich für ein Neutralitätsgesetz BW aus, das die Verwendung religiöser Symbole in der Justiz untersage. Seine Fraktion habe heute auch eine Bundesratsinitiative unterstützt, die die Vollverschleierung unterbinden wolle. Seine Fraktion könne sich auch Unterrichtseinheiten für Flüchtlinge vorstellen, in denen die Funktionsweise des Rechtsstaats erläutert werde. Darin sollten Rechtsanwälte ehrenamtlich mitarbeiten. Man suche aber noch nach geeigneten Wegen der Finanzierung. Die Abrechnung von PKH-Mandaten solle erleichtert werden. Dr. Lasotta könne sich auch eine Erhöhung der RVG-Gebühren vorstellen, wenn die Anwaltschaft ihrerseits sich auch nutzbringend in die Gesellschaft einbringen würde. 

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD, Rüdiger Klos MdL, sagte, das Gemeinwesen sei ohne Rechtsanwälte nicht denkbar. Er betonte, es solle nicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Individuums ankommen, um Recht bekommen zu können.

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Sascha Binder MdL, gratulierte dem Anwaltsverband zu seiner gelungenen Jubiläumsfeier am 8.9.2016 sowie seinen rechtspolitischen Stellungnahmen. Das Neutralitätätsgesetz trage den richtigen Namen, da es nicht speziell muslimische Kopftücher, sondern jede Art von religösen Symbolen im Gerichtssaal untersagen solle. Er wünsche sich eine gute Zusammenarbeit mit den Anwaltsvereinen, so wie es sich beispielsweise auch bei der Neufassung des Rechts der Syndikusanwälte gezeigt habe.

Nico Weinmann MdL, rechtspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion erinnerte an verschiedene denkwürdige historische Ereignisse, die auf das Datum 9. November fallen, wie den Mauerfall 1989, die aktuellen US-Präsidentschaftswahlen oder die Reichsprogromnacht 1938. Diese Vorgänge zeigten, wie wichtig ein funktionierender Rechtsstaat ist. Er würde sich wünschen, dass die Anwaltschaft noch verstärkter in eine Ethik-Diskussion einsteige. Da man für die Justiz gutes Personal benötige, strebe seine Fraktion die Aufhebung der Reduktion der Eingangsbesoldung an. Die FDP habe den Gesetzentwurf eine Neutralitätsgesetzes vorgelegt. Es müsse bereits der Anschein, dass eine religiöse Gesinnung Einfluß auf eine Justizentscheidung haben könne, vermieden werden.

RA Prof. Dr. Peter Kothe schloss den Kreis der Reden mit den Worten, dass der Anwaltsverband bereits den Leitfaden "Freiheit & Verantwortung" zum anwaltlichen Berufsrecht und zur Berufsethik veröffentlicht habe. Er freue sich über die von allen Fraktionen ausgesprochene Bestandsgarantie für die bestehenden Gerichtsstandorte. Beim kommenden Ausbau des E-Government würde er die Aufnahme des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) in die Auswahl der möglichen Kommunikationswege mit der Verwaltung für die Rechtsanwälte sehr begrüßen.



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Details aus den Redebeiträgen

Nach der Begrüßung der Gäste durch den Präsidenten des Anwaltsverbandes, RA Prof. Dr. Peter Kothe und der Vorstellung der aktuellen rechts- und berufspolitischen Forderungen der Anwaltschaft überbrachte der Ministerialdirigent Elmar Steinbacher aus dem Ministerium für Justiz und Europa seine Grußworte. 

Kothe verwies darauf, dass es bei der Beurteilung von Sachverhalten in einem Rechtsstaat nicht um Gefühle, sondern um Fakten gehen solle. Die aktuellen Entwicklungen in Großbritannien (Votum für den Brexit) sowie den USA (Präsidentschaftswahlen mit dem Sieger Donald Trump) würden einen anderen Eindruck vermitteln. Nicht umsonst laute ein alter juristischer Grundsatz: da mihi factum, dabo tibi ius.

Kothe mahnte eine zeitnahe Anhebung der Anwaltsgebühren an damit die Berufsträger auskömmlich arbeiten und auch ihre Mitarbeiter vernünftig bezahlen könnten. Er widersprach Gerüchten,  wonach Kollegen eine Geschäftemacherei mit der Beratung von Asylbewerbern oder Beratungshilfe-/Prozesskostenhilfemandaten betreiben würden. Das Gegenteil sei der Fall. Hier leiste die Anwaltschaft pro bono Dienste. Die Übernahme solcher Mandate entspreche einer Berufspflicht damit jedermann Zugang zum Recht erhalten könne. Dieser Zweck sollte nicht durch eine gleichzeitige Anhebung der Gerichtsgebühren, die die Prozessführung für Minderbemittelte verteuere, unterlaufen werden.

Das Tätigwerden von Anwälten führe nicht zu unnötigen Verfahrensverzögerungen, weil die Anwälte ihrerseits die oft komplexen Sachverhalte zunächst so aufbereiten würden, dass Entscheidungsfindungen überhaupt erst möglich würden. Wenig Verständnis habe der Anwaltsverband, wenn in Stellenausschreibungen des BAMF explizit aufgeführt sei, dass Juristen ohne einschlägige Berufserfahrung gesucht würden.

Wenn die Politik sich nun für eine bessere personelle Ausstattung bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften einsetze, müsse sie auch an eine Erhöhung der Rechtspfleger- und Gerichtsvollzieherstellen denken, aber auch an solche beim Wachpersonal sowie der Polizei. Ein vor Gericht erstrittenes Urteil, etwa zum familienrechtlichen Unterhalt, müsse zügig durchsetzbar sein. Andernfalls sei die bisherige Mühe aller Beteiligten vergebens gewesen.

Kothe ging auch auf das Erfordernis eines besseren Breitbandausbaus ein, damit die Anwaltschaft den demnächst kommenden elektronischen Rechtsverkehr auch umsetzen könne. Insbesondere forderte er eine Harmonisierung der jeweiligen IT-Systeme auf Justizseite im gesamten Bundesgebiet. Es dürfe nicht sein, dass man - je nach Bundesland - z. B. unterschiedliche Dateiformate benutzen müsse.

Mit Blick auf den geplanten Gesetzentwurf für ein Neutralitätsgesetz BW erinnerte Kothe daran, dass die vor Gericht üblichen schwarzen Roben für Staatsanwälte, Richter und Rechtsanwälte gerade den Zweck hätten, Neutralität im Gerichtssaal herzustellen. Ein etwaiges Verbot aller religiösen, weltanschaulichen oder politisch geprägten Symbole müsse den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen.

Ministerialdirigent Steinbacher sagte, Anwälte seien z. B. bei Gerichtsverhandlungen wichtig.

Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung des Neutralitätsgesetzes BW bestehe noch Diskussionsbedarf. Rechtsreferendarinnen würden beispielsweise im staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienst eingesetzt. Die bisherigen Amtstrachtregelungen enthielten - anders als gefordert - keine spezielle Abwägung mit Art. 4 GG (Religionsfreiheit). Für Rechtsanwälte habe das Land keine Regelungskompetenz. Dies müsse, so denn gewollt, nach § 20 BORA in anwaltlicher Selbstverwaltung geschehen.

Das Ministerium für Justiz und Europa prüfe auch fachliche Spezialisierungen in der Richterschaft, beispielsweise bei Heilbehandlungen, Bank- und Finanzgeschäften, Versicherungen oder im Bau- und Architektenrecht, so wie es der Koalitionsvertrag vorsehe. So gebe es ja auch 20 Fachanwaltschaften. Andererseits verfüge BW auch schon über einen hohen Spezialisierungsgrad. Hinzu kämen viele kleine Landgerichte mit nur 2 Kammern, deren Struktur man beibehalten wolle. Deswegen seien Spezialiserungen nur begrenzt machbar.

Der elektronische Rechtsverkehr habe mit dem zentralen EGVP-Mahnverfahren beim Amtsgericht Stuttgart begonnen und werde ab 2017 mit weiteren Pilotgerichten, wie dem Verwaltungsgericht Sigmaringen, dem Sozialgericht Mannheim und dem Finanzgericht, fortgesetzt. Zum 1.01.2018 sollen alle 152 Gerichte in BW freigeschaltet sein. Seit dem Frühsommer 2016 arbeite das Arbeitsgericht Stuttgart mit der elektronischen Akte. Es funktioniere ohne nennenswerte Schwierigkeiten. Steinbacher räumte aber ein, dass vor allem die Infrastruktur verbesserungswürdig sei. Zum 1.01.2020 sollen alle Rechtsanwälte verpflichtet sein, am elektronischen Rechtsverkehr teilzunehmen. 

Eine Erhöhung der RVG-Gebühren könne er sich vorstellen. Man müsse dabei aber bedenken, dass dies dann auch steigende Ausgaben bei der Gewährung von Beratungs- oder Prozesskostenhilfe zur Folge hätte. Da das Land das Ziel der Nullverschuldung verfolge, müsse der Kostendeckungsbeitrag bei den Gerichten auch entsprechend sein.

Daran anschließend folgten die Statements der rechtspolitischen Sprecher der Landtagsfraktionenen.

Dabei sprachen für

- die Landtagsfraktion der Grünen: RA JürgenFilius, MdL

- die CDU-Landtagsfraktion: Dr. Bernhard Lasotta, MdL

- die AFD-Landtagsfraktion: Rüdiger Klos, MdL

- die SPD-Landtagsfraktion: RA Sascha Binder, MdL

- die FDP-Landtagsfraktion: RA Nico Weinmann, MdL



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