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AnwaltsVerband Baden-Württemberg
im Deutschen AnwaltVerein e.V.
Darstellung der drei Löwen des Baden-Württembergischen Wappens

Parlamentarischer Abend 2012

Zum diesjährigen Parlamentarischen Abend am 10. Oktober 2012 in Stuttgart konnte der Anwaltsverband wieder rund 60 Gäste begrüßen. Zum vierten Mal in Folge trafen die jeweiligen rechtspolitischen Sprecher der vier Landtagsfraktionen, weitere Landtagsabgeordnete und der amtierende Justizminister auf die Vertreter der 25 baden-württembergischen Anwaltsvereine, Präsidenten der vier Rechtsanwaltskammern, den Präsidenten des Anwaltsgerichtshofs, Vorstandsvorsitzenden des baden-württembergischen RA-Versorgungswerks und der Vertretung der Richter- und Staatsanwälte. Es kam zum regen Meinungs- und Erfahrungsaustausch zu innen-, rechts- und berufspolitischen Themen.

Verbandspräsident RA Prof. Dr. Peter Kothe bei seinen Begrüßungsworten
Justizminister Rainer Stickelberger bei seinem Grußwort
Bernd Hitzler MdL (CDU) bei seiner Erwiderungsrede
RA Jürgen Filius MdL (Bündnis90/Die Grünen) bei seinem Statement
RA Andreas Stoch MdL (SPD) spricht für seine Fraktion
Prof. Dr. Ulrich Goll, justizpolitischer Sprecher der FDP/DVP-Fraktion
Matthias Grewe (Direktor AG Tettnang, Vorsitzender Verein der Richter und Staatsanwälte, l.), RA Dr. Jörg Meister (AVBW-Vorstand, m.) im Gespräch mit RAin Ulrike Paul (Präsidentin RAK Stuttgart, r.)
Verbandspräsident RA Prof. Dr. Peter Kothe im Gespräch mit RA Dr. Michael Krenzler (Präsident RAK Freiburg) und RA Ekkehart Schäfer (Vizepräsident der BRAK)
Die AVBW-Vorstandsmitglieder RA Dr. Guido Toussaint (l.) und RAuN Dr. Thilo Wagner (r.) im Gespräch mit Prof. Dr. Ulrich Goll MdL (FDP, m.)
RA u. WP Walter Pilz (Vorstandsvorsitzender RA-Versorgungswerk Ba-Wü) und RA Dr. Michael Krenzler (Präsident RAK Freiburg)
Dieter Hillebrand MdL (CDU) mit RA Norbert Berg (AV Ellwangen), Verbandspräsident RA Prof. Dr. Peter Kothe und RA Detlev Heyder (AVBW-Vizepräsident und Vorsitzender AV Freiburg)
RA Bernd Schmitz-Peiffer (AVBW-Vorstand, l.) mit RA Michael Stiefvater (Vorsitzender AV Baden-Baden, m.) und RA Volker Schebesta MdL (CDU, r.)
RAin Alexandra Fridrich (Vorstandsvorsitzende der DAV-ARGE Verwaltungsrecht - Landesgruppe Ba-Wü) und Prof. Dr. Christian Kirchberg (Präsident des Anwaltsgerichtshofs)
RAin Bettina Bauer (AVBW-Schatzmeisterin und Vorsitzende AV Tübingen), RA Kai Kluss (Vorsitzender AV Bad Mergentheim) sowie Jens Braunewell (Fraktionsjustiziar Bündnis90/Die Grünen)
RAin A. Fridrich (ARGE Verwaltungsrecht, l.), RA Hans-Christoph Geprägs (Präsident RAK Tübingen, m. l.), RA Prof. Dr. Kirchberg (AGH, m. r.) und Justizminister Stickelberger (SPD, r.) im Gespräch
Dieter Hillebrand MdL (CDU), RA Klaus Hornung (Forum Junge Anwaltschaft, Mannheim) und RAin Bettina Bauer (Vorsitzende AV Tübingen)
RA Berthold Hederer (m.) und RAin Agnes Randt-Rozgonyi, r. (beide AV im Schwarzwald-Baar-Kreis)
RA Norbert Berg (AV Ellwangen, l.), RA Walter Pilz (Vorsitzender Versorgungswerk, m.) und RA Arnulf Freiherr von Eyb MdL (CDU, r.)
RA Dr. Boris Riemer (AV Lörrach, l.), RA Dr. Dirk Bischoff (AV Offenburg, m.) und RA Volker Schebesta MdL (CDU, r.)
RAin Angela Hubert (Forum Junge Anwaltschaft Ellwangen)
RAin Christina Reifelsberger (l.); RA Wolfgang Faßbender (m.) und RA Dr. Olaf Hohmann (r.), (alle Vorstand AV Stuttgart)
RA Eckhard Flämig (AV Aaalen) und RA Christoph Käppeler (AV Heidenheim)
RA Dr. Guido Toussaint (Verein der BGH_Anwälte), l.), RA Michael Stiefvater (AV Baden-Baden, m.) und RA Dr. Andreas Notz (AVBW-Vorstand, r.)
RA Berthold Hederer (l.), RAin Agnes Randt-Rozgonyi (AV Schwarzwald-Baar-Kreis, m.) und RA Günter Posselt (AV Rottweil, r.)

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Funktionsfähigen Rechtsstaat erhalten 

 

Mit seinen Begrüßungsworten sprach der Verbandspräsident RA Prof. Dr. Peter Kothe die Freude über die beabsichtigte Neuregelung von § 9a Landespolizeigesetz (PolG BW) aus. Mit dem inzwischen in den Landtag eingebrachten Gesetzentwurf werde die seit 2008 vorgenommene Unterscheidung zwischen „Strafverteidigern“ und „anderen Rechtsanwälten“ sinnvollerweise wieder aufgehoben. Dies sei für die Wahrung des Anwaltsgeheimnisses von großer Bedeutung. Gleichzeitig wies der Präsident aber auch auf Problemstellen im neu geplanten Polizeigesetz hin, etwa die Einführung einer bloß telefonischen richterlichen Anhörung bei der Ingewahrsamnahme von Personen (§ 28 Absatz 4 PolG) oder erweiterte Möglichkeiten zur Datenübermittlung, ohne dass zuvor geprüft werden müsse, ob die Stellen, die die Daten dann erhalten sollen zu deren Erhebung originär überhaupt befugt gewesen wären(§ 37 Absatz 5 PolG).

Sodann wandte er sich den Themen Beratungs-, Prozeßkosten- und Verfahrenskostenhilfe zu, weil es hier erneut Bestrebungen gibt, die Ausgaben zu begrenzen. Diese Unterstützungsleistungen stellten eine besondere Form der Sozialhilfe dar und müssten deswegen auch diesem Haushalt und nicht dem Justizhaushalt zugeschlagen werden. Die bundesweiten Pro-Kopf-Ausgaben für außergerichtliche Beratungshilfe betrügen ca. 1 Euro je Einwohner und lägen damit weit hinter vergleichbaren Ausgaben anderer EU-Mitgliedsstaaten. Die Vergütung für Rechtsanwälte in diesem Bereich bedeute inzwischen eine pro bono-Tätigkeit, weil die Anwaltschaft in hohem Maße in die gesellschaftliche Pflicht genommen werde, für sozial Schwache zu Beträgen tätig zu werden, die oft nicht kostendeckend seien. PKH und Beratungshilfe existieren nicht der Anwälte wegen. Sondern beide dienen dem Zugang zum Recht von Bedürftigen. Weitere Kürzungen sollten hier unterbleiben. Es sei deswegen auch erforderlich, dass die derzeit geplante RVG-Reform komme.

Des Weiteren sprach sich Prof. Kothe gegen die Abschaffung von Widerspruchsverfahren aus. Deren Vorteil liege darin, dass dabei nicht nur die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme überprüft werde, sondern auch deren Zweckmäßigkeit. Widerspruchsbehörden sollten deswegen nicht nur den Ausgangsbescheid wiederholen, sondern von der außergerichtlichen Streitbeilegungsmöglichkeit Gebrauch machen. Andernfalls sei ein Ansteigen von Verwaltungsgerichtsverfahren zu befürchten, mit denen sich der Staat aber nur weiter vom Bürger entferne. Das würde mit dem Anliegen der jetzigen Landespolitik, mehr Bürgerbeteiligung zu ermöglichen, nicht zusammen passen. Er ergänzte, dass Akteneinsicht bisher nur „im laufenden Verfahren“ genommen werden könne. Allein schon, um Akteneinsicht zu erhalten, müssten Klagen erhoben werden.

 

Schließlich bemängelte der Verbandspräsident die aktuelle Verfahrensweise bei der öffentlichen Anhörung zur Neugestaltung der Sicherungsverwahrung. Der Gesetzentwurf sei nach einer Pressemitteilung in die Internetseiten www.service-bw.de eingestellt worden, allerdings in Untermenüs, die sich nicht so einfach erschlössen. Die Äußerungsmöglichkeit sei auf 2.500 Zeichen sowie bei der Eingabe zeitlich so eng begrenzt, dass man dies nicht als zufriedenstellende Anhörungsmöglichkeit auffassen könne. Hier bat der Präsident um deutliche Verbesserungen.

 

Der Justizminister Rainer Stickelberger erwiderte in seinem Grußwort, dass die Neuregelung des § 9a PolG als gemeinsamer Erfolg betrachtet werden könne. Bei den angesprochenen Neuregelungen zum Gewahrsam müsse noch eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu deren Zulässigkeit abgewartet werden. Bei der Anordnung von Blutentnahmen müsse auch noch etwas nachgearbeitet werden. Hinsichtlich neuer erforderlicher Datenschutzregelungen, etwa zur Vorratsdatenspeicherung, warteten sowohl die SPD-Landtags- als auch die Bundestagsfraktion auf Beschlüsse aus Berlin. Derzeit würden noch keine EU-Strafzahlungen drohen. Insbesondere der Innenminister Reinhold Gall müsse derzeit Aufklärungsdefizite im Bereich der Kinderpornografie feststellen. Deswegen sei eine vollkommene Absage an die Vorratsdatenspeicherung nicht vorstellbar.

 

Am heutigen Tage sei die geplante neue Landesverfassungsbeschwerde in die erste Lesung gegangen. Sie solle im April 2013 in Kraft treten. Außerdem habe man inzwischen mit der Rückleitung der Strafvollzugsanstalten aus der Privatisierung begonnen.

 

Sodann ging er auf eine Pressemitteilung des Vereins der Richter und Staatsanwälte vom 23. November 2011 ein, mit der dieser sich gegen die Kürzungen der Beamtenbesoldung und Beihilferegelungen wandte. Das Problem bestehe darin, dass im Bereich der Justiz nun einmal hohe Personalkosten entstünden, die aber auch finanziert werden müssten. Mit dem derzeitigen 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz sei erstmals seit 1994 eine Gebührenerhöhung für die Länder vorgesehen.

 

Die Umstellung auf e-justice werde weiter vorangetrieben, ebenso wie elektronische Akten im Zusammenhang mit der Grundbuchreform. Hier sei Ziel, dass die Entwicklungen von der Justiz aus gesteuert würden.

 

Für mehr Sicherheit in Justizgebäuden gebe es nun mehr Haushaltsmittel, die für Wachtmeister, deren Schulung und Ausstattung (Videogeräte) geplant seien. Festzustellen sei nämlich, dass Übergriffe auf Bedienstete der Justiz zunähmen. Abschließend kündigte der Justizminister an, öffentliche Anhörungsverfahren zu Gesetzentwürfen mindestens wieder auf das alte Niveau zurückzuführen.

 

Danach erhielt der rechtspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Bernd Hitzler das Wort. Er dankte dem Verband für die Übersendung seiner rechtspolitischen Stellungnahmen. Insbesondere diejenige zur Einführung der Landesverfassungsbeschwerde habe ihm bei der Entscheidungsfindung sehr geholfen. Die Neuregelung von § 9a PolG werde auch von seiner Fraktion befürwortet. Auch sei er ein Befürworter der Vorratsdatenspeicherung, die für die Verbrechensaufklärung heutzutage unerlässlich sei. Hinsichtlich der Grundbuch- und Notariatsreform bedauere er den Wegfall kleinerer Standorte, halte dies aber letztendlich für sachgemäß. Bei der Privatisierung der Bewährungshilfe befände sich seine Fraktion noch in der Diskussion mit der SPD-Fraktion. Der Kürzung von Beamtenbesoldungen erteile er eine klare Absage. Das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz mit der darin enthaltenen Anhebung der RVG-Gebühren sehe er positiv. Seine Fraktion würde auch die Verbreitung des elektronischen Rechtsverkehrs unterstützen. Zum Schluss dankte Herr Hitzler den anwesenden Rechtsanwälten für Ihre engagierte ehrenamtliche Arbeit und sagte bei anwaltlichen Anliegen die Unterstützung durch seine Fraktion zu.

 

Der Vorsitzende des Arbeitskreises „Recht und Verfassung“ der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen, RA Jürgen Filius, begann seinen Wortbeitrag ebenfalls mit einem Lob der rechtspolitischen Stellungnahmen des Anwaltsverbandes. Er erkenne darin das Bestreben, die Bürgerrechte zu wahren, z. B. bei der Vorratsdatenspeicherung. Es müsse darauf geachtet werden, dass man „nicht zu viel Staat zulasse“. Eine angemessene Besoldung der Richter und Staatsanwälte sowie die Reform des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes seien notwendig. Im Bereich der Justiz seien 50% Personalausgaben. Abschließend dankte er dem Anwaltsverband für seine Arbeit, weil diese schließlich dem Gemeinwohl zu Gute komme.

 

RA Andreas Stoch, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, verwies auf den Koalitionsvertrag, in welchem für den Bereich Justiz vereinbart worden sei, die Privatisierung der Strafvollstreckung und der Bewährungshilfe vorurteilsfrei in wirtschaftlicher und ideologischer Hinsicht zu überprüfen. Dazu würden die Beteiligten angehört sowie zahlreiche Gespräche geführt.

 

Es habe sich gezeigt, dass die Zusammenlegung der öffentlichen und nicht-öffentlichen Datenschutzaufsicht sinnvoll gewesen sei.

 

Inzwischen gebe es auch einen Beschluss der Landesregierung, das Schlichtungsgesetz abzuschaffen.

 

Wegen der weiteren Arbeit des Verfassungsschutzes gebe es eine Länder-und-Bund-Arbeitsgruppe, die untersuche, wie die Kontrolle des Verfassungsschutzes zukünftig erfolgen solle. Baden-Württemberg könne hier mehr tun.

 

Abschließend konnte der justizpolitische Sprecher der FDP/DVP-Fraktion Prof. Dr. Ulrich Goll seine Standpunkte darlegen. Das Datenschutz-Bewusstsein wachse in der Bevölkerung nur langsam. Die beste Maßnahme sei deswegen, Daten möglichst erst gar nicht zu erheben. Die FDP lehne gesetzgeberische Schnellschüsse bei der Vorratsdatenspeicherung ab, mit denen Grundrechte unbescholtener Bürgerinnen und Bürger eingeschränkt werden. Eine anlasslose Speicherung von Telekommunikationsdaten sei abzulehnen, da diese bei Ermittlungsverfahren fast keine Rolle spielten.

 

In Berlin sei Ende August 2012 der Bundeskabinettsbeschluss zum 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz gefasst worden, so dass das formelle Gesetzgebungsverfahren nun begonnen habe.

 

Zur Absenkung der Eingangsvergütungen bei Richtern verwies er auf die Jahre 2008/2009, die wirtschaftlich schwieriger gewesen seien als jetzt. Man habe wegen der jetzigen Mehreinnahmen eine günstige Situation, die dennoch nicht zugunsten der Richter genutzt würde. Dies sei wenig verständlich.

 

Die Änderung von § 9a PolG BW halte er für gut. Die Einführung der Landesverfassungsbeschwerde sei nicht erforderlich, weil keine Rechtsschutzlücke zu verzeichnen sei. Auch aus seiner Sicht sollten Widerspruchsverfahren beibehalten werden.

 

Nach den Wortbeiträgen kamen Redner und Zuhörer zu zwanglosen Gesprächen zusammen, um sich weiter über die verschiedenen Standpunkte und künftige Entwicklungen auszutauschen.

 

 

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